Bamberg - Ein Stillleben?

Es ist schon erstaunlich, findet ihr nicht? Die Stadt Bamberg erlebt einen touristischen Höhenflug. Es fehlt an Betten. Sie hat sich über die vergangenen Jahre einen nationalen Ruf erarbeitet. Nicht nur im Tourismusgewerbe. Ihr Stadtmarketing-Chef ist Kulturmanager des Jahres. Aber ist Bamberg stolz darauf? Ich denke, das darf man zumindest in Teilen anzweifeln. Denn im Stadtrat gilt: Was nicht Hochkultur ist, gehört aus der Innenstadt verbannt. Bambergs CSU-Chef drückt es noch krasser aus: Es handele sich um eine "Event-Unkultur". Eine interessante Haltung. Da fragt man sich, woher denn der CSU-Chef diese geballte Kompetenz hernimmt, um zum Interpreten des allgemeinen Kulturbegriffes avancieren zu können. Kultur ist, was traditionell und althergebracht immer schon Kultur war, ist der Leitsatz: Klassische Konzerte, Kunst und Malerei und durchaus auch Sport. Letzterer aber nur, weil er nicht in der Innenstadt stattfindet. Alles andere, allen gesellschaftlichen Entwicklungen zum Trotz, ist keine Kultur, sondern ist in die Kategorie "Fress- und Saufveranstaltungen" zu subsummieren. Jugendlicher Unfug eben. Genauso wie zu lange gastronomische Öffnungszeiten. Auch jugendlicher Unfug.

Gründe? Peergroups

Woher kommt das? Der Stadtrat der Stadt Bamberg zeichnet sich als gewähltes Gremium unter anderem dadurch aus, dass seine Mitglieder gehobenen Alters sind. In weiten Teilen deutlich jenseits der fünfzig Jahre. Diese Tatsache und womöglich auch die, dass bald Wahlen anstehen, führt meiner Meinung nach dazu, dass ein unerhörter Klientelismus ausbricht. Die Mitglieder des Stadtrates hören - ein durchaus normales soziales Phänomen - vor allem auf ihre "Peergroups". Erwartungsgemäß ebenfalls Menschen entsprechenden Alters, vielleicht auch entsprechenden Gesellschaftsmilieus, vor allem aber eher konservativ. Alle anderen Gruppierungen werden ausgeblendet. Und bitte: Wer mir erzählt, dass sich der Stadtrat regelmäßig auch in den jüngeren Wählergruppen bewegt, den möchte ich im ersten Moment doch anzweifeln. Offenbar haben die Stadträte vergessen wie es war, als sie jung waren oder etwas später eine junge Familie gründeten.

Nun ist es aber so, dass genau diese "älteren Peergroups" die Stadt Bamberg wohl am liebsten in Watte packen und konservieren möchten. Bamberg soll zum Stillleben werden. Damit alles schön und gemütlich ist. Und ja kein Lärm, bitte. Vor allem nicht diese Jugend-Musik. Rock und Blues. Jazz ... vielleicht, aber auch bitte nur leise. Denn Amüsement gehört vor die Stadtmauern. In der Stadt fühlen sich die Anwohner (generell) davon gestört.

Heavy Metal ist auch Kultur

Das die Stadt Bamberg heute deshalb attraktiv ist, weil sie neben dem Weltkulturerbe und der Hochkultur, eben auch weitere kulturelle Angebote hat, die vielleicht für etwas jüngere Zielgruppen interessant sind, ist beim Stadtrat ganz offensichtlich noch nicht angekommen. Kultur aber entwickelt sich weiter. Veranstaltungen, wie die in Bamberg sind Kultur. Heavy Metal wäre auch Kultur. Nicht-Gefallen kann kein Argument dafür sein, etwas als kulturell zu definieren oder nicht. Ich bin mir sicher, dass es viele Menschen gibt, denen gewisse Malereien, Stücke der Bamberg Symphoniker oder auch Teile des Bamberg Skulpturenweges nicht gefallen. Sind diese Dinge deshalb etwa nicht Kultur? Was für ein Unsinn. Eine weitere These ist, dass es nicht nur um Nicht-Gefallen etwaiger Veranstaltungsformate geht, sondern auch um das Nicht-Gefallen bestimmter Veranstalter, das die Meinung im Stadtrat formt. Aber ist das im Sinne der Bürgerinnen und Bürger? Ich denke nicht.

Leben und Sterben lassen

Bamberg, unsere Stadt, lebt. Die Schlussfolgerung ist banal: Wird ihr verboten zu leben, stirbt sie. Und dann ergeht es ihr wie anderen Städten in Oberfranken, etwa Coburg oder Kronach, wo nach und nach die Läden schließen müssen, die jungen Menschen wegziehen, dorthin wo es für Familien attraktiver ist und man Spaß haben darf, wo die Bevölkerungszahl sukzessive sinkt, wo Unternehmen sich nicht mehr ansiedeln, weil sie es schwer haben, Arbeitskräfte zu finden, wo nach und nach ein Museum ohne Arbeitsplätze entsteht. Bamberg würde zu einem Freilichtmuseum werden. Schön anzuschauen. Für einen Tag im Jahr.

Aus meiner Sicht, muss der Stadtrat jünger werden. Er muss doch als gewähltes Gremium alle Bevölkerungsschichten bedienen und nicht nur die eigene. Denkt nicht nur an jene Menschen, die einen schönen Lebensabend in dieser Stadt verbringen möchten. Denkt auch an die Jugendlichen und die jungen Familien, die ein erlebnisreiches Umfeld zu schätzen wissen.

Man darf sich sicher auch fragen, warum jemand direkt am Maxplatz wohnt. Es kann dafür viele verschiedene Gründe geben. Etwa, weil man dort durch ein lang bestehendes Mietverhältnis noch günstig wohnen kann und andere Gegenden der Stadt nicht mehr leistbar sind. Legitim. Aber wer einfach nur am Maxplatz wohnt, weil es so schön zentral ist, der darf sich doch nicht ernsthaft darüber beschweren, dass in der Innenstadt etwas los ist. Dass das Stadtleben nicht die stillen Vorzüge des Landlebens bietet, muss doch klar sein. Bamberg darf kein Stilleben sein. Und der Stadtrat darf sich auch nicht anmaßen zu bestimmen, was Kultur ist und was nicht. Das ist unverschämt.

Bevölkerungsumfrage

Eine unabhängige, repräsentative Bevölkerungsumfrage wäre angesichts der schon so lange währenden Diskussion aus meiner Sicht zweckdienlich. Bisher geht man in der Diskussion immer nur vom "Hörensagen" aus. Eine gesunde Entscheidungsbasis ist das nicht. Und auch angesichts der Wahlen kann es nicht erlaubt sein, nur ein Klientel zu bedienen, von dem man weiß, dass es tendenziell eher wählt als ein anderes. Das ist weder demokratisch, noch moralisch richtig. Dieser Gedanke ist idealistisch, denn in der Politik fehlt es heute oftmals an Ethik und Moral. Beidem aber mehr Raum zu geben bei politischen Entscheidungen und Überlegungen, würde helfen. Ebenso übrigens wie gesunder Menschenverstand. Wundern darf man sich angesichts solch unfassbarer Behauptungen und Entscheidungen im Stadtrat nicht, wenn sich die Politikverdrossenheit fortsetzt.

Ich frage mich im Übrigen, wie es wohl wäre, wenn am Maxplatz Theater und klassische Musik als wiederkehrende Großveranstaltungen installiert würden. Ich würde wetten, die Diskussion verliefe ganz anders. Hochkultureller eben. Was mag nur so schwer daran sein, zu sehen, dass sich
andere Städte um die Errungenschaften der Stadt Bamberg in Sachen Aktivitäten reißen, weil sie ein attraktiver Standortvorteil sind?

In Bad Kissingen macht übrigens demnächst ein City-Beach auf. Weil die Stadt stirbt und etwas getan werden muss. Bamberg hat den eigenen City-Beach zugemacht und über einen alternativen Standort habe ich schon eine Weile nichts mehr gehört. Totgeschwiegen? Vielleicht. So wie der Stadtrat die Stadt Bamberg eines Tages womöglich auch totschweigen wird.

Martin Wilbers

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