Das Auto hat ein Kulturproblem

Es ist ja eigentlich nicht nur der Diesel. Sondern das Auto mit Verbrennungsmotor per se, dem der baldige Tod prophezeit wird. Es ist nicht sauber genug. Und das ist ein Problem. Eines, dem im Falle des Diesels deutsche Automobilhersteller mit einer betrügerischen Software beikommen wollten.

Die Automobilbranche wird häufig als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet, sozusagen das Herz des Labels "Made in Germany" bezeichnet. Und plötzlich hat sich dieses Rückgrat verhoben und sich als betrügerisch entpuppt. Ein schwerer Schlag in das deutsche Kontor.

Diverse Kommentatoren haben in den vergangenen Tagen angemerkt, dass nicht der Diesel Grund für den Ärger ist, sondern der Umgang der Hersteller mit der Technologie und der Abgas-Problematik. Technologisch wäre eigentlich alles machbar. Und wer weiß denn schon, ob das E-Automobil der Weisheit letzter Schluss ist? Ich möchte es bezweifeln.

Aber was genau heißt das nun eigentlich?

Das herkömmliche Auto hat in doppelter Hinsicht ein Kulturproblem. Denn in einer Kultur, die sich zum Glück immer umweltbewusster zeigt, verlieren schmutzige Verbrenner nach und nach an Akzeptanz. Dass Umweltbewusstsein mit Vernunft und Realismus einhergehen muss, sei einmal dahin gestellt.

Das zweite Kulturproblem ist in den Unternehmen selbst verortet. Denn was führt dazu, dass sich schwer verdienende Unternehmen mit gutem Ruf zu derart skandalösen Betrugspraktiken hinreißen lassen? Ins Blaue gesprochen dürften Gier, eine übersteigerte Erfolgssucht, aber vielleicht auch Angst eine Rolle spielen. Angst davor, ein gestecktes Ziel nicht zu erreichen und dafür Sanktionen zu erfahren. Eine Angst, so groß, dass ein Betrug an zig tausenden Kunden als adäquat befunden wurde.

Man fragt sich, welche Art von Diskussionen und Gedanken die Nutzung der Software und die Umsetzung bewusst illegaler Praktiken begleitet haben mögen. Denn an irgendeiner Stelle, zu irgendeinem Zeitpunkt wurde die Entscheidung dafür getroffen.

Ist es nun wirklich so unwahrscheinlich, dass das Top-Management davon nichts wusste oder es einfach hat geschehen lassen? Auch das könnte ein Frage der (Unternehmens-)Kultur sein. Eben dann, wenn das Eingestehen der Nicht-Erreichung gesteckter technischer und finanzieller Ziele gegenüber den jeweils Vorgesetzten keine Option darstellt und der Betrug der attraktivere Weg ist.

Die Automobilindustrie hat ein Kulturproblem. Gebaut auf einem Fundament aus Selbstüberhöhung, Ignoranz und Macht.

Und wie man sieht kann ein derartiges Kulturproblem viele Milliarden Euro kosten. Und mag dieses Beispiel auch noch so exponiert und einzigartig wirken: Auch in kleineren Kontexten kostet eine ungünstige Unternehmenskultur viel Geld.

Es wäre Zeit für ein Umdenken. Und ein Mehr an guter Kultur und gesunder Bescheidenheit. Auch und vielleicht vor allem in der Automobilindustrie.

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Martin Wilbers