Der Bayern-Change.

Bayern hat gewählt. Mit diesem Satz werden heute morgen vermutlich so einige Artikel beginnen, die über die gestrige Landtagswahl berichten. So richtig überraschen konnten die Ergebnisse gestern nicht. Einmal mehr hat die Wahlforschung aus meiner Sicht im Grunde eine gute Arbeit gemacht. Umso amüsanter waren gestern einige schnelle Kommentare nach den ersten Erhebungen, denn aus manch einem Lager kamen Trauer und Veränderungsansagen, die im Grunde schon viel früher hätten kommen müssen. Schließlich war vieles absehbar. Dennoch möchte ich einige für mich signifikante Punkte ein wenig einordnen. Auch mit Blick auf unser schönes Bamberg.

Und auf einmal ist vieles anders

Es gibt, wenn man es mit einem gewissen Abstand betrachtet, schon einige recht positive Dinge, die man mit Blick auf die gestrige Landtagswahl hervorheben kann.

Wir sprechen ja so oft von der der Politikverdrossenheit der Menschen. Ich finde, dass man in den vergangen Monaten eine Politisierung der Bevölkerung gesehen hat, die zwar in gewisser, nämlich inhaltlicher Hinsicht Kopfschütteln verursacht. Aber wir müssen doch auch festhalten, dass Politik, ihre Inhalte und vor allem Ihre Taten längst nicht mehr auf eine Gleichgültigkeit stoßen wie das vielleicht bei vergangenen Wahlen und deren Vorspiel der Fall gewesen ist. Das zeigt sich auch an der deutlich höheren Wahlbeteiligung in diesem Wahljahr. Und das, meine ich, ist grundsätzlich erst einmal etwas sehr Positives.

Ebenso positiv ist es, dass sich knapp 90 Prozent der Wähler in Bayern gegen die rechtsradikale, teils rechtsextreme Politik der AfD entschieden haben. Vielleicht lernen die handelnden Akteure der anderen Parteien daraus. Denn verstehen könnte man diesen Teil des Abstimmungsergebnisses auch als ein Signal dafür, dass man Politik nicht allein für die Schreihälse machen darf, die nur aufgrund ihrer Lautstärke so auffällig sind. Unsere Abgeordneten im Landtag müssen sich vor allem darauf konzentrieren, Politik für den überwältigend großen Teil der bayerischen Bevölkerung zu machen, der sich gegen die AfD entschieden hat. Vielleicht erkennt auch die CSU darin den Hinweis, dass konservative Politik in Bayern zwar noch immer hoch im Kurs steht, rechtskonservative Politik aber nicht gleichgesetzt werden darf, mit rechtsradikalem bis rechtsextremem Gedankengut. Das täte den Christsozialen gut, meine ich.

Dazu habe ich in den Tagen vor der Wahl ein recht schönes Zitat gelesen, welches Franz-Josef Strauß zugeschrieben wird.

 

Man muss den Menschen auf's Maul schauen, aber nicht nach dem Mund reden. 

Sollte er das wirklich einmal so gesagt haben, dann sollte sich der eine oder andere daran ein Beispiel nehmen. Denn obwohl ich kein Anhänger der CSU bin, meine ich, dass in dieser Aussage für die Politik insgesamt ein ganz passender Leitgedanke steckt.

Mit Blick auf Bamberg ist es allerdings schon etwas traurig, dass sich rund 12 bis 15 Prozent (Stadt/Land) für die AfD entschieden haben. Mal sehen, wie sich das bis zur nächsten Kommunalwahl entwickelt. Stirnrunzelnd schmunzeln muss ich bei so manchem Kommentar unter den Artikeln auf infranken.de. Da ist das Jammern bei manchem AfD-Anhänger groß. Der eine oder andere spricht von Wahlfälschung. Denn es hätte doch mehr sein müssen! Nein. Hätte es nicht. Und das ist gut so.

Der Bayern Change.

Letztlich heißt das nun auch, dass die CSU nicht mehr allein wird regieren können. Das schmerzt die Tradition dieser Partei natürlich sehr. Aber unserem Bundesland, glaube ich, wird das gut tun. Es besteht die Chance die Politik in Bayern in die Lage zu versetzen, eine gute Verbindung aus Tradition und Moderne zu schaffen, die der CSU ganz offensichtlich in den vergangenen Monaten bis Jahren nicht mehr gelungen ist. Und vielleicht führt das auch zu einer stärker diskursiven Auseinandersetzung mit anstehenden Themen, bevor Entscheidungen getroffen werden. Die CSU hat lange genug mit sich selbst gesprochen, wenn es darum ging, Bayern zu führen. Und irgendwie fand ich es grundsätzlich grausam, dass die CSU für sich in Anspruch genommen hat, sie allein wäre für den Erfolg des Bundeslandes verantwortlich. Sie war ein wesentlicher Eckpfeiler. Das darf man ihr nicht absprechen. Aber es zeugt schon von ziemlicher Arroganz, wenn eine Partei behauptet, sie allein habe alles nach vorne gebracht. Denn durch solche Aussagen zeigt sich für mich ein Phänomen in der Politik, welches dringend geändert werden muss: Es fehlt offenbar der Blick auf die Menschen. Denn vor allem sie, ihr Einsatz, ihre Steuern und ihre Arbeit haben Bayern wachsen lassen. Die Politik schafft Rahmenbedingungen. Sie sollte aber niemals vergessen, dass sie zwar ein Lenkrad sein kann, nicht aber der Motor, der die PS auf die Straße bringt.

Für die neuen wird's schwer.

Nun muss also ziemlich schnell eine neue Regierung her. Allein schon aufgrund der bayerischen Landesverfassung. Bis Dezember muss das alles unter Dach und Fach sein. Kein sehr langer Zeitraum. Aber erneut eine Chance der gewählten Parteien endlich einmal zu zeigen, dass sie in der Lage sind sachpolitisch, klar und einfach einmal ohne übersteigertes Ego zu arbeiten. Sondern wirklich das Beste für das Land zu wollen und auf diesem Wege die Bereitschaft zu haben, Kompromisse einzugehen.

Für den oder die neuen Koalitionspartner wird das indes eine ziemlich schwierige Kiste. Die CSU war es lange Zeit gewohnt, nach jeder Wahl erneut allein das Zepter zu führen. Die Jahrzehnte des Alleinregierens könnten die Teamplayer-Fähigkeiten der Konservativen in Bayern ziemlich dezimiert haben. Eigentlich bräuchte es für die neuen Regierungsmitglieder eine anständige Change-Begleitung und das eine oder andere persönliche Coaching. Wenigstens aber eine gute und regelmäßige Teamentwicklung. Denn die CSU wird sich - zumindest in den ersten Monaten - immer wieder mit Leitwolf-Attitüde an den Koalitionspartnern abarbeiten. Wenn sie aber ein bisschen Demut lernt, könnte ihre Schaffenskraft im Team tatsächlich wieder fruchtbaren Boden bestellen.

Die alte Dame

Für die SPD ist die gestrige Wahl freilich eine Klatsche. Aber wenigstens eine, auf die man sich hat vorbereiten können. Das heiße Brennen auf der Wange wird dadurch zwar nicht besser, aber wenn man sich's mal genau überlegt, dann bekommt man vermutlich raus, warum man den Handrücken verdient hat.

Vergangenes Wochenende habe ich dazu einen recht interessanten Gedanken aufgeschnappt. Es wurde darüber diskutiert, ob man nicht überlegen müsse, dass sich die "Arbeiterklasse", für die die SPD lange Zeit das A und O war, über die vergangenen Generationen so sehr verändert und modernisiert hat, dass die "alten" Themen der SPD einfach nicht mehr dazu passen. Spannender Ansatz. Aber die SPD-Granden und ihre Genossen, werden sich hoffentlich selbst dazu ein paar gute Gedanken machen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Es wäre letztlich schade, wenn eine so traditionsreiche Partei zugrunde geht.

Alles wieder bunter

Überhaupt finde ich es ganz passend, dass der Landtag in Bayern wieder bunter ist. Passt für mich hervorragend zu einem weltoffenen Deutschland. Und auch zu einem weltoffenen Bayern. Denn es gehört, wenn man das mal richtig durchsteigt, eigentlich nicht zur bayerischen Tradition sich gegen alles und jeden abzuschotten und immer nur nach hinten zu schauen. Wenn nämlich früher alles besser gewesen wäre, wäre Bayern noch heute ein reines Agrarland. Ist es aber nicht.

Im Besonderen freue ich mich für meine Freien Demokraten. Die FDP ist wieder im Landtag. Und das finde ich stark. Wir brauchen eine frische Opposition. Da die CSU vermutlich nicht mit den Grünen koalieren wird, darf man auf eine endlich wieder aufkeimende, fröhliche Debattenkultur hoffen. Es wird, so glaube ich, wieder mehr Dampf geben im bayerischen Landtag. Das ist gut so. Denn das bewegt.

Politik für die Mehrheit.

Ich hoffe also, dass das Wahlergebnis zu einer stabilen Regierung, zu mehr Vielfalt und zu einer sachpolitischen und angereicherten Auseinandersetzung in München führt. Es täte Bayern gut. Ebenfalls gut täte es Bayern, wenn die zukünftige Regierung ihre Politik für die Mehrheit der Bevölkerung gestaltet und nicht vor allem für jenen Teil, der sich der AfD zugewandt hat. Unter diesen zehn Prozent gibt es sicherlich eine Reihe von Menschen, die sich vom Rechtsaußen-Nationalismus dieser Partei abwenden werden, wenn die Regierung bürgernahe und nachvollziehbare Politik macht. Beim verbleibenden Rest kann man vielleicht nur hoffen, dass sie zur Vernunft kommen. Aber wie in jedem Veränderungsprojekt in der freien Wirtschaft auch, gilt: Man sollte sich nicht zuerst um diejenigen kümmern, die permanent und am lautesten "Dagegen" schreien. Denn das ist häufig nicht die Mehrheitsmeinung.

Schauen wir mal, was die Wahl nun in den nächsten Tagen so bringt. Auch mit Blick auf das Personal. Aber sagen wir es doch mal so: Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, alles schwarz zu malen 🙂

Martin Wilbers

Leave a reply

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.