Der öffentliche Raum gehört uns

Am vergangenen Wochenende war Björn Höcke in Nürnberg. Eben jener Björn Höcke, der erst eine Woche zuvor in der Sendung von Günther Jauch deutlich zeigte, welch verzerrten Geistes Kind er ist und vom Moderator damit ziemlich in Ruhe gelassen wurde. Jener Björn Höcke, der noch im Mai diesen Jahres von seiner Partei aller Ämter enthoben werden sollte und nun, scheinbar umso gestärkter, seinen Hass und seine Hetze im Namen seiner verkorksten Partei im öffentlichen Raum verbreitet.

Einige Tage zuvor musste Bamberg umso deutlicher feststellen, dass Rechtsextremismus in der schönen Domstadt ein Schlagwort ist, welches nicht unter ferner liefen verbucht werden kann. Im Gegenteil. Die Radikalität einer völlig vergifteten Hass-Ideologie ist ganz nah dran an uns, den Bambergern. Ich muss zugeben, dass mich das Ausmaß rechtsextremer Gewalt in dem sonst so beschaulichen Bamberg überrascht hat.

Die Zivilgesellschaft im Defensiv-Modus

Generell habe ich das Gefühl, dass die Zivilgesellschaft sich in einer passiven oder reaktiven Rolle zu befinden scheint. Und das finde ich befremdlich. Ganz gleich, ob in Bamberg, Nürnberg, Würzburg oder irgendeiner anderen Stadt in Deutschland: Es scheint, dass die Zivilgesellschaft immer erst dann den Mund im öffentlichen Raum aufmacht, wenn der von rechten Hasspredigern beansprucht wird.

Und da frage ich mich: Warum können Höcke und Konsorten regelmäßige Kundgebungen aktiv planen und durchführen, die bürgerlichen Kräfte aber „nur“ reagieren? Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Natürlich freue ich mich jedes Mal darüber, wenn einem kümmerlichen Haufen Nazis eine große Menge aufrechter Bürger entgegen treten, die klar und deutlich mitteilen, dass sie von der grausamen und menschenfeindlichen Weltanschauung solcher Leute nichts wissen wollen.

Der öffentliche Raum gehört uns

Aber es genügt mir nicht, dass unsere Bundeskanzlerin ein paar Tage nach dem Höcke-Auftritt in Nürnberg, dort ebenfalls auftritt und einen Bürgerdialog abhält. Überall im Land hat unsere Zivilgesellschaft gewählte Volksvertreter verschiedener Parteien. In der Kommunalpolitik genauso, wie in der Landes- oder Bundespolitik. Aber proaktive Kundgebungen, die sich mit dem Grundgesetz, echten Werten und Nächstenliebe beschäftigen, finde ich immer nur dort, wo ein Auftritt der rechten Szene droht. Reaktiv statt aktiv eben.

Wenn nach einem Vorfall wie in Bamberg Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach Bamberg kommt, um sich eine Einrichtung in dieser Stadt anzusehen, warum nutzt er dann die Gelegenheit nicht, ebenfalls eine öffentliche Kundgebung aktiv anzubieten und zu den Menschen zu sprechen?

Warum gerieren wir, die Bürger mit einer aufrechten, menschenwürdigen und demokratischen Grundeinstellung, uns, als müssten wir den öffentlichen Raum mehr oder weniger zurück erobern? Warum beanspruchen unsere Politiker, ganz gleich ob auf kommunaler Ebene oder darüber, diesen öffentlichen Raum nicht aktiv, um die Bürger einerseits aufzuklären, aber auch klar zu machen, dass man sich rechte Hetze nicht bieten lässt und so etwas keinen Platz in unserem Land hat?

Wahltaktik statt Aufrichtigkeit?

Vielleicht, so kommt es mir manchmal vor, liegt es daran, dass die diesbezügliche Situation, der wir momentan entgegen blicken, politisch ein heißes Eisen ist. Und manch ein Politiker Angst davor hat, sich daran mit Blick auf die nächsten Wahlen zu verbrennen. Das aber wäre empörend und beschämend. Gerade jetzt erwarte ich mir, dass die gewählten Volksvertreter in ihren Wahlkreisen, in den Städten und Dörfern präsent sind. Nicht im Rahmen eines Themenabends oder eines Bürgerdialogs mit begrenzter Teilnehmerzahl. Sondern dort, wo rechtsstaatsfeindliche Gruppierungen ihre hasserfüllten Argumente anbieten: Im öffentlichen Raum, auf öffentlichen Plätzen, bei öffentlichen Kundgebungen. Zeitungsartikel über bürgernahes Wirken genügen nicht. Es ist die aktive physische Präsenz, das aktiv Nahbare, das mir fehlt.

Persönliches Engagement im öffentlichen Raum

Ein „Mach doch selber“ fände ich traurig. Viele Menschen engagieren sich bereits freiwillig und selbstständig. Etwa in der Flüchtlingshilfe. Aber die Tatsache, dass immer mehr rechtsradikale Meinungsbilder verbreitet, falsche und unwahre Informationen gestreut und Hass und Hetze geschürt werden, ist ein politisches Problem. Und deshalb müssen es m. E. unsere Politiker sein, die sich hier im besonderen Maße öffentlich engagieren.

Ich wünsche mir, dass unsere öffentlichen Plätze und unsere Straße nicht zu einem Ort der ständigen Reaktion verkommen. Ich wünsche mir, dass die rechtsstaatliche Politik diesen Raum für sich vereinnahmt und aktiv auf die Bürger zugeht. Ich möchte mehr aufrechte Politiker mit festem Rückgrat sehen, die draußen unterwegs sind und diese Aufgabe nicht allein auf andere prominente Menschen aus Gesellschaft und Kultur abschieben.

Und ich glaube auch nicht daran, dass es hilft, rechten Kräften nicht auch noch durch proaktives Handeln „eine Bühne zu bereiten“. Im Gegenteil. Ich meine, man muss sich damit beschäftigen und diesen Verblendeten und Blendern die Stirn bieten. In Bamberg genauso wie überall anders in Deutschland muss es heißen: Der öffentliche Raum hat keinen Platz für rechten Hass. Er gehört uns und unserer grundgesetzlichen Demokratie und Weltanschauung. Aktiv, persönlich und öffentlich.

Martin Wilbers

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