Die Print-Zeitung wird vergehen ....

Die Print-Zeitung wird vergehen ....

Achja (was durchaus als Seufzer verstanden werden darf), berufsbedingt beschäftige ich mich ja eigentlich so gut wie jeden Tag mit diesem Thema: Dem Niedergang der gesruckten Zeitung. Letzlich ist aber eine Differenzierung durchaus erlaubt.

Die Print-Zeitung wird vergehen, das Buch bleibt bestehen.
Josef Joffe, Herausgeber, DIE ZEIT, Nr. 06/2012

Das hat Josef Joffe gesagt. Josef Joffe ist Herausgeber der ZEIT, die erfolgreichste Zeitung Deutschlands. Sprich: Wachsende Auflage. Jetzt gehört Josef Joffe damit ja eigentlich zu einer Gruppe von Menschen, denen es eigentlich garnicht recht sein kann, dass ihr erfolgreiches Produkt im Nordischen Format und einer begeisterten Kundengruppe, zu der auch ich mich zähle, niedergeht. Und freilich - Joffe findet auch garnicht, dass das so sein wird. Abgesehen vielleicht vom Nordischen Format.

Zeitung im Sinkflug?

Aber man hörts ja aus jeder Richtung: Die Ära der Print-Zeitung ist zu Ende. Journalisten müssten Angst um ihren Job haben, denn jetzt gibts ja das Internet, in dem jeder alles veröffentlichen kann und viele Informationen kostenfrei abrufbar sind. "User generated content" nennt man das im Fachjargon. Und dann gibts da ja noch Google. Und Google weiß alles. Nun, vielleicht nicht alles, aber doch zumindest vieles. Aber irgendwie liegt genau da das Problem.

80.600.000 Treffer in 24 Sekunden

Das Phänomen ist ja nicht ganz unbekannt: Ich suche etwas, Informationen, eine Definition, irgendetwas was mir hilft eine Begrifflichkeit oder auch ein Geschehen besser einzuordnen. Browser auf, Google aufrufen und Suchbegriff eingeben. Und schon hat man ein Ergebnis. Moment - das ist natürlich nicht ganz korrekt. Vielmehr habe ich bei den meisten Suchanfragen Millionen von Treffern. Die alle durchzulesen ist unmöglich. Also beschränke ich mich entweder auf die ersten paar Treffer oder aber ich schaue in der Trefferliste nach, ob ich eine "gefühlt seriöse" Quelle finde, die mir reicht. Und die schaue ich mir dann an. Suche ich nach Zeitgeschehen oder aktuellen Ereignissen, will ich also mein tagesaktuelles Wissen erweitern, dann ist Google nicht unbedingt meine erste Wahl. Und persönlich könnte ich mir vorstellen, dass das bei den meisten auch nicht der Fall ist. Ich surfe dann auf faz.net, spiegelonline.de, stern.de und wie sie alle heißen. Die Plattformen derjenigen Medien, die viele eben als seriös bezeichnen. Deren Ursprung aber natürlich das Printprodukt ist. Was inhaltlich generell unerheblich wäre.

Journalismus

Die Printzeitung, überhaupt das bedruckte Blatt Papier ist letztlich nichts weiter als eine Verbreitungsplattform für Informationen. Es ist - wenn auch häufig von vielen anders verstanden - nicht der einzig wahre Inbegriff derjenigen Textgattungen, die wir in der Regel als vertrauenswürdig erachten: Texte von Journalisten. Und Journalisten tummeln sich heutzutage eben nicht mehr "nur" auf dem Papier, im Fernsehen oder im Radio. Auch im Netz oder sagen wir auf Online-Plattformen erfüllen sie eine Aufgabe, die sie einst meist als Beruf erlernt haben. Ein Beruf, der - wie jeder anderer auch - wichtigen Regeln folgt, deren Ergebnis ein journalistisches Produkt ist. Auch wenn die Bezeichnung "Journalist" in Deutschland nicht geschützt ist. Obwohl sie bestimmte Tätigkeitsbereiche umfasst, die großem Verantwortungsgefühl bedürfen.

Und ganz gleich ob offline oder online: Journalisten müssen sich immer und überall im Wesentlichen einen Vorwurf gefallen lassen: Willkür.

Handwerkszeug - wie anderswo auch.

Oft ist dieser Vorwurf aber Ausdruck eines Unverständnisses für die Dinge, die in einer Redaktion so ablaufen. Kein Wunder: Kaum eine Redaktion tut etwas dafür sich offener zu zeigen. Und das in einer Gesellschaft, deren Mitglieder immer argwöhnischer auf Dinge schauen, die nicht transparent passieren oder einen Dialog ermöglichen. Ich glaube, das ist auch nicht ganz einfach. Denn zu der notwendigen Offenheit müssen sich Erklärungen hinzu gesellen. Das Handwerkszeug, ob Storytelling, Recherche, journalistische Textformen und Gattungen und vor allem die journalistischen Kriterien, sind vielen Menschen oft nicht so präsent. Sie aber sorgen dafür, dass die wahrgenommene Willkür plötzlich im Lichte einer gut begründeten journalistischen Entscheidung erscheint. Ganz gleich übrigens, um das vorweg zu nehmen, ob in einer Lokalzeitung (wenn sie will) oder einem überregionalen Blatt (ebenfalls wenn es will).

Das Ding mit der Orientierung

Journalismus also wird weiterbestehen. Journalismus heißt Orientierung für die Leserinnen und Leser. Journalisten ordnen das Zeitgeschehen. Sie schaffen Sinnzusammenhänge und ordnen das Chaos der Informationsflut zu übersichtlichem Hintergrundwissen. Sie helfen mit Ihrer Arbeit dabei, dass die Menschen sich nicht von der Unzahl an Informationen erschlagen lassen, sondern einen Ort, eine Plattform finden, auf der professionelle Hände, das Wichtige vom Unwichtigen trennen, das Bedeutende und für das Verständnis notwendige zusammenfügen und dies in einer komprimierten Form wiedergeben. Sie machen kenntlich, wenn es nicht um einen Sachzusammenhang alleine, sondern um konkrete Meinung geht. Sie können wichtige, wenngleich trockene Themen durch die Nutzung  Ihres Handwerkszeuges spannender darstellen. Sie müssen Einseitigkeit vermeiden und Themen sinnvoll, aber umfänglich darstellen. Alles Dinge, die das Netz ob seiner Vielfalt und Pluralität nicht leistet und auch gar nicht leisten muss.

Die Arbeit der Journalisten hilft uns dabei, schnell und recht unkompliziert die Welt, in der wir leben zu erfassen und zu begreifen. Und unser Wissen zu erweitern. Deshalb müssen wir ihnen vertrauen dürfen. Deshalb tragen sie Verantwortung. Deshalb können sie ihren Blick immer nur auf das Geschehen richten, welches für viele wichtig ist, nicht nur für wenige. Sie bedienen ein Massenpublikum.

Nicht die Zeitung wird verschwinden, niemals, sondern ihre Plattform, das Papier - so wie einst Tontafel und Pergament. Josef Joffe, Herausgeber, DIE ZEIT, Nr. 06/2012

Verlag 2.0

Josef Joffe ist ein kluger Mann. Er ist Herausgeber der erfolgreichsten Zeitung in Deutschland. Die einzige Zeitung mit einer wachsenden Auflage. Und natürlich weiß er, dass die Zeitung als solche nicht vergehen wird. Denn die Zeitung ist ein wichtiges Forum für Journalisten, ein Medium für die Bürgerinnen und Bürger eines Landes. Sie erfüllt über den Journalismus eine wichtige Aufgabe in jeder Demokratie. Aber sie ist nicht gebunden an die heute so gängige Plattform des Papieres. Und es ist auch kein Journalismus 2.0. Denn er folgt immer denselben wichtigen Prinzipien, offline wie online.

Es sind die Verlage, die 2.0 werden müssen. Sie müssen ihr Geschäftsmodell digitalisieren und kundenorientiert erweitern. Sie müssen die gesellschaftlichen Veränderungen aufnehmen und sich öffnen für den Wunsch nach mehr Transparenz und mehr Dialog. Das hat Zukunft. Genauso wie die ZEITung.

Lesenswert in diesem Zusammenhang ist übrigens auch ein Artikel von Stefan Felten zu den (notwendigen) Veränderungen von Zeitungen und Lokalzeitungen im Speziellen.
Martin Wilbers

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