Die Zukunft des Journalismus in den USA - und Europa?

In der Soziologie lernt man häufiger mal etwas, was sich mit "alles Gute kommt von oben" übersetzen ließe. In Europa kann man beobachten, dass sich gesellschaftliche Entwicklungen, zum Beispiel bezogen auf die Wohlfahrtssysteme eines Landes, zunächst in Skandinavien verändern und von dort aus immer weiter in den Süden wandern.  

In der News-Branche zumindest läuft das anders. In Europa können wir häufig schon einige Zeit vorher sehen, was der Branche blüht, wenn wir einfach über den großen Teich gen Westen blicken. Auch wenn manch einer diesbezüglich behaupten mag "Im Westen nichts Neues", sind die Inhalte der jährlich erscheinende Journalismus-Studie des Pew Research Centers doch recht interessant. Und das nicht nur für die Zeitungsunternehmen dieser Welt.  

Wer möchte kann sich direkt den Überblick (englisch) zur Studie durchlesen. Für alle anderen versuche ich mal knapp die Schwerpunkte zusammenzufassen. Insgesamt identifizieren die Forscher sechs wesentliche Trends, die sich aus ihren neuen Daten ergeben. Fünf davon finde ich für die News-Branche total spannend und eben diese fünf haben deshalb auch nicht unwesentlichen Einfluss auf die Arbeit von PR-Profis.  

Immer mehr Jobs bei den "Digitalos" 

Sie schießen wie Pilze aus dem Boden: Rein digitale Nachrichtenangebote à la BuzzFeed, Vice Media oder auch die Huffington Post. Sie differenzieren sich natürlich allesamt in der Form und Art der dargebotenen Nachrichten. Manche betreiben mehr Boulevard, andere versuchen sich an den Nachrichtenformen "klassischer" Tageszeitungen. Ein spannendes Projekt ist übrigens auch die Global Post, die als Digitalangebot den Anspruch hat, Nachrichten aus allen Teilen der Welt zusammenzutragen und somit auch losgelöst von landesspezifischen Nachrichtenfaktoren zu arbeiten. Spannend übrigens auch deshalb, weil laut der Studie in den vergangenen Jahrzehnten  US-Medien ihr Auslandspersonal um rund 24 Prozent reduziert und sich stärker auf Inlandsthemen konzentriert haben. Implizit geben die Forscher damit auch zu verstehen, dass die Berichterstattung in der Öffentlichkeit kaum mehr vernünftige Blicke auf das globale Geschehen zulässt, beziehungsweise die Inlandspolitik nicht mehr in den globalen Kontext eingebettet wird.  

Ein Großteil der neuen Jobs im US-Medienmarkt, und das ist eine spannende Erkenntnis, finden sich heute schon bei den reinen Digitalanbietern. Für Print-Journalisten sieht es in den USA eher düster aus.  

Umsatzzuwächse kommen nicht aus neuen Geschäftsfeldern 

Auch hier in Deutschland beobachten wir es: Medienunternehmen sind auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern. Veranstaltungsangebote oder Venture Capital zum Beispiel. Das ist in den USA schon länger so. Jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Die Studie zeigt, dass die größten Geldbringer eher neue Berichterstattungsformen und neue Kanäle der Publikumsansprache sind. Im Werbemarkt bleibt es dabei, dass zwei Drittel der Erträge an herkömmliche Kanäle gebunden ist. Die Studienmacher nennen diese Kanäle "legacyforms". Böse übersetzt: veraltete Formen. Außerdem findet des Pew Research Center, dass man vor allem mal ergründen müsste, inwieweit die Gleichung aufgeht, dass digitale Infrastrukturen weniger Kosten verursachen als althergebrachte. Technologieentwicklung und Wartung gibt es schließlich nicht umsonst.  

Soziale und mobile Entwicklungen verändern den Newsprozess gewaltig 

Keine neue These. Aber in den USA teilen fünfzig Prozent der Nutzer sozialer Netzwerke Nachrichten, Bilder und Videos und der "usergeneratedcontent" über mobile Endgeräte spielt eine immer größere Rolle in Richtung Augenzeugenberichte in neuen wie alten Medien. Und: den Studienmachern zufolge, sind die meisten dieser Nutzer keine direkten News-Abonnenten, sondern "stolpern" beim Konsum ganz anderer Inhalte in den sozialen Netzwerken über die Nachrichten, die zumeist von Freunden und Co. geteilt werden. Die wenigsten davon aber gehen dann auf die entsprechende Anbieterseite außerhalb der Netzwerke. Wer also eine singuläre Digitalstrategie fährt und sich nur auf die eigenen Kanäle im Netz verlässt, verliert.  

Video und Co. - Nicht so hip, wie man denkt 

Videos - ein wahnsinnig wichtiges Medium heutzutage. Unbestritten. In Sachen Nachrichten könnte die Sache aber etwas anders aussehen. In den USA macht der Werbeumsatz von Videos etwa zehn Prozent des gesamten digitalen Werbemarktes aus. Das ist - zumindest für mich - deutlicher weniger, als gedacht. Außerdem geht der Trend des Nachrichtenvideos-Anschauens zurück. Warten es zwischen 2007 und 2009 noch 27 Prozent Wachstum, sind es inzwischen bis 2013 nur noch neun Prozent. Und obwohl die großen Player im Videobusiness - Youtube und neuerdings auch Facebook - einen dicken Batzen des Videoanteils auf sich vereinen, versuchen sich kleine Seiten an eigenen Videoplattformen. Es sei mal dahin gestellt ob das wirklich Sinn macht.  

Demographie und die Generation Y 

Von der Generations Y, den Jahrgängen ab 1981, und deren Eigenheiten hat man andernorts schon eine ganze Menge gelesen. Die Amerikaner haben sich in den letzten Jahren darauf konzentriert, Zielgruppenmärkte mit entsprechenden Nachrichtenangeboten zu bedienen. Weil die größe ethnische Gruppe - Menschen hispanischer Abstammung - seit 2000 um gut fünfzig Prozent gewachsen sind, hat man hispanische Nachrichtenportal an den Markt gebracht. Erfolglos allerdings. Was viel erfolgreicher war: Generationsgetriebene Portale. Fusion heißt ein gemeinsames Portal von ABC und Univision. Im Kern der Inhalte steht die Generation Y. Kein Wunder eigentlich, dass hispanische Portale nicht funktioniert haben. Der Großteil des Wachstums hispanischer Bevölkerungsanteile in den USA kommt nicht durch Zuwanderung, sondern Geburt in den USA selbst. Dieser Nachwuchs wird in aller Regel amerikanisch sozialisiert und spricht fließend englisch als quasi zweite Muttersprache. Da braucht es keine Ethnoinhalte. Sie fühlen sich als Amerikaner, nicht als Mexikaner.  

Soviel erstmal zu den Studieninhalten. Meine Gedanken zu entsprechenden Einflüssen in der heimischen Medienbranche gieße ich in einen nächsten Beitrag.  


Martin Wilbers

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