Flüchtlinge in Bamberg: Ein Familienausflug.

Am vergangenen Wochenende waren wir mit ihnen unterwegs: Flüchtlingen aus Syrien und der Ukraine. Wenn ich ihre Geschichten höre, dann verstehe ich noch weniger, warum man ihnen gegenüber Hass verbreitet und gegen sie hetzt. Sie alle haben einen beschwerlichen und vor allem auch gefährlichen Weg hinter sich. Oft Wochen und Monate lang. Zu Fuß, mit Schlauchbooten oder mit dem Zug. Und obwohl sie es geschafft haben, lebend in Deutschland anzukommen, haben sie weiterhin Angst. Angst vor Ausgrenzung, vor Ablehnung und einer immer noch ungewissen Zukunft.

Flucht vor Hass und Ausgrenzung

Da ist Danil, ein Junge aus der Ukraine, der in wenigen Monaten hervorragend Deutsch gelernt hat, gute Schulleistungen erbringt und für seine Eltern übersetzt. Er freut sich so sehr unter Menschen zu sein, die ihn annehmen wie er ist. Die mit ihm Fußball spielen, ihm eine Slagline spannen und sich mit ihm unterhalten. Man merkt ihm an wie selig er an diesem Tag ist. An einem Tag außerhalb des Flüchtlingheimes in Bamberg, das trotz vieler ehrenamtlicher Helfer vermutlich bisher nur wenige der einheimischen Bevölkerung kennen gelernt haben. Der junge Danil fragt viel. Er möchte weitere Worte lernen. Etwas über Deutschland erfahren. Er möchte wissen, wie hier alles funktioniert, denn er hat die große Hoffnung, endlich angekommen zu sein. Er und seine Familie sind unter anderem vor dem Hass ihrer Mitmenschen geflüchtet. Neben den schwierigen Verhältnissen in der Ukraine, hat Danil ein weiteres Problem: Er spricht Russisch als Muttersprache. Genauso wie seine Familie. Deshalb musste er viele Repressalien über sich ergehen lassen und konnte von einer sicheren Zukunft nur träumen.

Der Wunsch zu lernen

Oder Mohammed aus Damaskus. Er kommt aus guten Verhältnissen. Hatte ein Auto und eine Eigentumswohnung. Ebenso wie ein Studium. Bis Assad und der IS seine Heimat in das Chaos stürzten. Er erzählt, dass es in Damaskus gefährlich ist, morgens zur Arbeit oder zur Uni zu gehen. Jeden Tag kann dort etwas passieren. Im Zweifel etwas Tödliches. Seine Eltern sind trotzdem dort geblieben. Weil sie Angst davor hatten, dass sie wegen ihres hohen Alters in einem anderen Land überhaupt nicht mehr zurecht kommen würden. Er sagt, dass sie recht sicher in Damaskus sind. Solange sie ihre Wohnung nicht verlassen. Und er sagt es in gutem Deutsch, das er in den letzten Monaten gelernt hat. Sein Wirtschaftsstudium, Hochhandel heißt es in Syrien, ist in Deutschland nichts wert. Deshalb will er wieder an die Uni. Einen deutschen Abschluss machen. Er möchte niemandem auf der Tasche liegen, sondern sich eine Zukunft aufbauen. Manchmal, sagt er, versteht er die Deutschen schon. Denn er weiß, dass einige seiner Landsleute, die nach Deutschland geflohen sind, nicht Deutsch lernen wollen. Oder arbeiten gehen möchten. Aber er sagt auch, dass man das nicht verallgemeinern darf. Das gelte keinesfalls für den Großteil der Flüchtlinge aus seiner alten Heimat.

Er schaut verzweifelt drein, sucht kurz nach Worten und erzählt uns dann, dass doch nicht ernsthaft jemand glauben kann, dass man seine Heimat, sein Zuhause einfach so verlässt. Er sei nicht geflüchtet, weil er etwa arm gewesen wäre. Sondern, weil die allgegenwärtige Todesgefahr ein vernünftiges Leben nicht mehr möglich gemacht hat. Und nach nichts anderem sucht er. Einem sicheren Platz für ein vernünftiges, sinnvolles und erfülltes Leben. Dafür hat er Tausende von Euros aufgewendet, um über das Mittelmeer und die Balkanroute nach Deutschland zu flüchten. Und jetzt hat er nichts mehr. Ob er seine Eltern vermisst? Sicher. Aber er kann ihre Entscheidung in Damaskus zu bleiben verstehen. Sie kennen nichts anderes.

Von der Uni ins Chaos

Ähnliches erfährt man, wenn sich mit der ukrainischen Rechtsprofessorin und ihrer Familie unterhält. Sie hat an einer Universität in der Ukraine gelehrt. Gemeinsam mit ihrer Familie hatte sie ein gutes und durchaus zufriedenes Leben. Bis der Krieg im Donbass los brach und alles, was sie Heimat nannten, im Chaos des Artilleriefeuers versank. Sie seien nicht arm. Sie hätten das, was sie hatten und was ging mitgebracht, um sich hier ein Leben in Sicherheit aufzubauen. Auch sie wollen niemandem auf der Tasche liegen.

Ihnen allen merkt man an, dass sie auf der einen Seite dankbar für die Zeit und die Gastfreundschaft sind, die sie an diesem Tag erleben. Aber man merkt in dem einen oder anderen Gesicht auch, dass sie sich manchmal ein wenig dafür schämen, auf Hilfe angewiesen zu sein.

Auf der Suche nach Anschluss

Mohammed denkt über seine Ankunft in Deutschland nach. Er sagt, dass es für ihn ein großer Wunsch wäre, Teil unserer Gesellschaft zu sein. Er möchte deutsche Freunde finden. Aber wenn er sich an die Szene zurück erinnert, die sich am Wochenende zuvor ergeben hat, als er in einer bekannten Bamberger Bar von einem Gast als "verdammter Asylant" beschimpft wurde, zweifelt er manchmal. Und alles in seinem Gesicht spricht in diesem Moment von einer gewissen Traurigkeit.

Und dann sieht man schließlich all die lachenden Kinder an diesem Tag, wie sie sich auf der Schiffschaukel amüsieren, spielen und sich gemeinsam mit unseren Kindern freuen. Und man kann nur den Kopf schütteln über all diejenigen, die heute ein Dach über dem Kopf haben - mag es auch vielleicht nur ein kleines sein - und diesen Menschen, die vor dem Nichts stehen, nicht einmal ihre Flüchtlingsunterkunft gönnen.

Es sind nur Menschen. Menschen, die auf der Flucht waren. Menschen, die Anschluss suchen und ihren Platz in der Mitte einer sicheren Gesellschaft finden möchten.

Martin Wilbers

2 comments

  1. Ilse 25 September, 2015 at 07:50 Antworten

    Martin Wilbers,
    den Satz verstehe ich jetzt nicht so richtig. Was ist an dem Artikel falsch oder schlimm, dass sich das druckende Blatt für den Inhalt quasi entschuldigt?
    Ich hatte beim lesen des Artikels eine Gänsehaut und Tränen in den Augen.

  2. Martin Wilbers
    Martin 27 September, 2015 at 18:54 Antworten

    Hallo Ilse,

    es freut mich, dass dich der Artikel bewegen konnte. Mich hat der gesamte Tag ebenfalls sehr bewogen. Was deine Frage angeht, musst du mir kurz helfen: Warum findest du, dass das „druckende Blatt“ sich für den Inhalt entschuldigt?

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