Coburg leuchtet - nicht.

Aus meiner Sicht hat sich die Stadt Coburg am vergangenen Mittwoch ein Armutszeugnis ausgestellt. Und die Stadt hat ein belastbares Beispiel dafür geschaffen, dass sich die Ausübung öffentlichen Drucks über das Zudrehen von Geldhähnen als probates Mittel zur Durchsetzung von Eigeninteressen in der Politik lohnt.

Nun kommt sie also doch. Die Max-Brose-Straße in Coburg. Ja, es gibt sie bereits in anderen Städten. So auch in Hallstadt. Auch das finde ich nicht richtig. Aber Coburg ist diesbezüglich letztlich doch ein Sonderfall. Die erste Stadt in Deutschland mit einer NSDAP-Mehrheit, die Hakenkreuzflagge wehte bereits 1931 vor dem Rathaus und Coburg war ebenfalls die erste Stadt in Deutschland, die Adolf Hitler zum Ehrenbürger ernannte. Insgesamt also begann die braune Vergangenheit Coburgs schon früh.

Verantwortungsgefühl?

Meine Generation muss sich heute nicht mehr mit Schuld tragen. Nein. Aber was für uns Deutsche immer gelten wird ist, dass wir eine besondere Verantwortung gegenüber der Vergangenheit unserer Nation tragen müssen. Die Mehrheit des Coburger Stadtrates, allen voran der Oberbürgermeister Tessmer, scheint sich dafür aber nicht zu interessieren. Die Binsenweisheit "Geld regiert die Welt" findet in Coburg eine ganz besondere Manifestation.

Ich halte es da mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden und einigen politischen Vertretern der Stadt Coburg: Es wäre nicht darum gegangen die Person Max Brose zu beschädigen oder schlecht zu reden. Dafür ist die Geschichte seiner NS-Verstrickung noch zu wenig aufgearbeitet. Aber die bekannten Fakten sprechen dennoch dafür, dass man ihn auch nicht mit einer Straße ehren sollte. Er war Wehrwirtschaftsführer, beschäftigte Zwangsarbeiter in der Rüstungsindustrie und hat davon letztlich profitiert. Mir ist nicht klar, welche besondere soziale Verantwortung er wohl getragen haben mag, die eine Ehrung rechtfertigen würden.

Geld regiert die Welt

Der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung der Firma Brose, Michael Stoschek, spricht davon, dass die aktuelle Entscheidung des Coburger Stadtrates für eine Max-Brose-Straße von der Mehrheit der Coburger Bürger gewollt war. Mir ist keine bevölkerungsrepräsentative Umfrage bekannt, die das belegt. Und zudem muss man sich sicher auch die Frage stellen, ob der Entzug der Spendengelder, welchen Brose 2004 in einem Brief in unmittelbaren Zusammenhang mit der damaligen Ablehnung der Ehrung Max Broses durch den Stadtrat Coburgs stellte, eine unlautere Beeinflussung der öffentlichen Meinung darstellt. Denn klar ist, dass dadurch einzelne Vereine und öffentliche Institutionen ordentliche Nachteile zu verschmerzen hatten. Natürlich war das Absicht.

Nur: Darf eine Stadt wie Coburg seine Vergangenheit, bzw. die Verantwortung bezüglich dieser einfach so vom Tisch wischen, dem finanziell forcierten Druck eines Unternehmens nachgeben und sich so in seiner unabhängigen politischen Entscheidung beeinflussen lassen? Ist das jetzt für die Stadt Coburg besser? Ich denke nicht. Und da hilft es auch wenig, wenn der Stadtrat vorher beschließt, dass man die braune Vergangenheit Coburgs nun endlich doch mal vernünftig aufarbeiten lassen wolle. Das und die unabhängige Aufarbeitung der Person Max Brose hätte schon vor einer Ehrung stattfinden müssen. Im Grunde genommen ist es doch der Verlauf der Angelegenheit, die den Firmengründer Max Brose jetzt doch irgendwie beschädigt hat. Und das auch in den überregionalen Medien. Wäre es nicht besser für das Unternehmen und auch für den Ruf des Herrn Brose gewesen, von dieser vehementen Forderung nach einer Ehrung Abstand zu nehmen?

Die Firma Brose lernt daraus, dass es sich lohnt finanziellen Druck auszuüben. Dass Geld letztlich doch das entscheidende Kriterium zur Durchsetzung des eigenen Willens ist. Aber was genau lernt der Coburger Stadtrat daraus? Er hat mit seiner Entscheidung dem Ruf der Stadt Coburg meiner Meinung nach stark geschadet. Und setzt freilich auf die Mühlen der Zeit, die all diese Unzulänglichkeiten hoffentlich schon bald zu Staub zermahlen haben werden.

OB Tessmer hofft, dass man jetzt wieder zum normalen politischen Alltag übergehen könne. Ich bin mal gespannt wie dieser aussieht. Normalität jedenfalls ist es nicht, die Coburg mit der Entscheidung für die Max-Brose-Straße generiert hat. Eher ein trauriges, abnormales und für mich erschreckendes Stück Realität, wie sie auch in der Kommunalpolitik so nicht sein sollte.

Bildnachweis: Störfix, Wikipedia, Creative Commons
Martin Wilbers

2 comments

  1. shultzie 25 Mai, 2015 at 20:53 Antworten

    Das ist gelebter Kapitalismus. Herr Stoschek hat sich hier ja nicht das erste Mal entsprechend in Szene gesetzt, leider auch nicht das letzte Mal. Der kommende Verkehrslandeplatz in Neida (LK Coburg) wird das nächste Objekt sein, wo Stoschek und Consorten mit der Drohung der Verlustes von Arbeitsplätzen ihre Eigeninteressen durchsetzen wollen. Geld regiert eben doch die Welt – vielleicht nicht direkt, aber eben über den Umweg, dass man damit die Meinungen von politischen Entscheidungsträgern entsprechend beeinflussen kann. Arme Welt…

  2. Flussfahrt mit Stoschek - Eine Neiddebatte? - Blattmacher 29 August, 2016 at 12:20 Antworten

    […] Kann man es sich so einfach machen? Ich glaube nicht. Es geht bei der Kritik an dieser Sondergenehmigung nicht darum, seinen persönlichen Neid auf die finanzielle Situation des Coburger Unternehmers auszudrücken.  Es geht darum, dass eine gesetzliche Regelung umschifft wird, um das Wohlwollen eines Unternehmers nicht zu verlieren. In einem Interview mit dem FT sprach Herr Stoschek davon, dass er viele öffentliche Projekte finanziell fördere und sich deshalb ein entsprechendes Entgegenkommen erwarte. Allein diese Haltung muss deutlich machen, dass die Spenden, die Herr Stoschek unbenommen in namhafter Höhe in die Stadt fließen lässt, sicherlich nicht allein der Güte seines Herzens entspringen. Diese Spenden verfolgen einen klaren Zweck. Dass dem so ist, konnte man in den vergangen Jahren immer wieder am Beispiel der Stadt Coburg sehen. Sie hat sich in eine sagenhafte Abhängigkeit begeben, die am Ende dazu führte, dass der Stadtrat bei einer wichtigen Entscheidung jede Ethik über Bord gehen ließ und einen Kurs einschlug, bei dem das Ansehen der Stadt und ihrer Kommunalpolitik zu Recht Schiffbruch erlitt. […]

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