Medien brauchen Unternehmer

"Alles muss raus" titelte die HORIZONT vor Kurzem und zeichnete im zugehörigen Artikel am Beispiel des Medienkonzerns Dumont, vielleicht ein wenig ungewollt, ein nahezu allgemeines Bild des Krisenmanagements in deutschen Verlagen. Der Kern für mich: Es fehlt an Unternehmern. 

Der Anlass für diesen Text ist schon ein wenig her. Eigentlich wollte ich nichts dazu schreiben. Weil schon so vieles in der Diskussion gesagt wurde. Aber einerseits wurde eigentlich nur viel Einseitiges, Entmutigendes und Kraftloses gesagt, andererseits habe ich nicht aufhören können, über den Auslöser für diese Zeilen nachzudenken. Letztlich freilich deshalb, weil mir das Thema so sehr am Herzen liegt. Für alle, die es nicht mehr hören können: Ich kann es eigentlich auch nicht mehr hören. Es geht wieder einmal um das Thema Journalismus. Genauer gesagt: Den Niedergang der Zeitung.

Eine gewagte These?

Ein Grund, diesen Text vielleicht doch zu lesen, ist möglicherweise, dass ich nicht darüber lamentieren möchte, warum das alles nicht mehr klappt und was man nicht alles tun muss. Naja, ein bisschen vielleicht doch. Aber ich möchte mich mit einem anderen Kern der Misere deutlich stärker beschäftigen.

Deshalb gleich zu Anfang meine These:

Himmelherrgott noch eins! Die journalistische Medienlandschaft braucht verdammt nochmal endlich wieder Unternehmer.

So. Das tat schon einmal gut. Also weiter im Text.

Das Einheitsrezept gegen die Krise

Vielleicht zunächst einmal zum oben angesprochenen Auslöser. Dumont. Dumont in Berlin. Kurz und knapp: Kosten sparen, also Redaktionen verkleinern. Mensch, das is’ ja mal innovativ gedacht. Wenn man behauptet Journalisten würden voneinander abschreiben, dann müsste man von Verlagsmanagern ganz offensichtlich etwas sehr Ähnliches behaupten. Denn nicht nur die Kostendenke ist beinahe überall gleich, sondern auch die Lösung wird brav kopiert. Nochmal kurz und knapp: Neue Gesellschaft gründen, benötigtes Personal rüber schieben, Betriebsübergang vermeiden, alte Gesellschaft dicht machen, Personal in neuer Gesellschaft in schlechtere Verträge zwingen, Sache geritzt. Für ein paar Jahre oder so.

Hipp und hängende Gesichter

Lasst mich bitte ganz kurz etwas über die Stränge schlagen: Es ist zum Kotzen. An allen Ecken der Medienlandschaft wird der Marktentwicklung mit diesen und sehr ähnlichen Methoden begegnet. Anderes beliebtes Modell sind Kooperationen, die im Grunde genommen aber auch nicht viel mehr sind, als neue Marktaufteilungen, Produkteinstellungen und günstigere Kostenmodelle, die sich um inhaltliche Qualität erst im dritten oder vierten Schritt Gedanken machen. Wenn überhaupt. Bravo.

Was mir dabei immer wieder einfällt ist der Umstand, dass sich die Verlagsmanager, darunter subsumiere ich auch Chefredaktionsmitglieder, auf vielen Konferenzen als die Mega-modernen umtun, sich jetzt mit – Achtung! – Snapchat auseinandersetzen, facebooken und irgendwie doch zu den Hippen des Medienzirkus gehören möchten. Einen Raum weiter aber, sieht man hängende Gesichter, weil „der Kunde“ keinen Bock hat, für die dargebotenen Inhalte zu zahlen oder Anzeigen zu schalten.

Die Lösung ist oft zu kurz

Die Quintessenz, die viele Verlagsmanager daraus ziehen, lässt sich leider viel zu oft auf ein Wort reduzieren: Kostenproblem. Und das nervt mich so dermaßen. Bestimmt ist das jetzt furchtbar anmaßend, aber die einfachste Lösung, die sich ein Management ausdenken kann, um einer schwierigen Marktsituation zu begegnen, ist die Kosten zu senken. Stopp. Ausdenken muss man sich diese Lösung gar nicht. Kreativ werden muss man ja schließlich erst bei ihrer Umsetzung. Allerdings wüsste ich als Gesellschafter nicht, warum ich einen Verlagsmanager mit einem großen Gehalt ausstatten sollte, damit er mir am Ende eine Lösung präsentiert, die am eigentlichen Problem der Krise nichts ändert. Und zwar immer und immer wieder. Jede neue Lösung basiert entweder auf dem Gedanken des Kostenproblems oder wird vor dem Hintergrund des Kostenproblems zu Tode diskutiert. Gefühlt ist das offenbar in fast jedem Medienhaus so, wenn man die einschlägigen Fachpublikationen in den letzten Monaten und Jahren aufmerksam verfolgt hat.

Schaufenster-Innovationen

Viel schwieriger, aber aus meiner Sicht deutlich zielführender, wäre es doch, wenn man sich endlich mal um einen anderen Begriff kümmern würde. Nämlich dem des Umsatzproblems. Und das bitteschön nicht halbherzig in Form von „Schaufenster-Innovationen“, die wirklich niemanden hinterm Ofen hervorlocken, sondern ernsthaft und ganz ohne vorher die halbe Mannschaft zu entlassen und die andere Hälfte mit Verträgen abzuspeisen, deren Ausgangserwartung nun wirklich nicht sein kann, dass sich jemand dafür motiviert an die Arbeit macht. Mal ganz abgesehen davon, dass sich die Medienbranche damit unfassbar unattraktiv für das macht, was sie so dringend braucht: Gute Leute.

Unternehmer?

Ich bin der Überzeugung, dass das Wort „Unternehmer“ bedeutet, dass jemand etwas unternimmt. Und zwar nach vorne gerichtet. Die Verleger der ersten Stunde nach dem zweiten Weltkrieg, haben ihre Verlage sicherlich nicht nur aus karitativen und idealistischen Motiven gegründet, sondern weil sie als Unternehmer ein Geschäftsmodell auf den Markt brachten, mit dem man Geld verdienen konnte. Und Geld verdienen ist und bleibt der erste Zweck eines Unternehmens. Aus verschiedenen Gründen ist das auch gut so und Verlage sind – trotz ihrer öffentlichen Bedeutung – keine Non-Profit-Organisationen.

Lauter Manager

Aber wo sind die Medienunternehmer heute? Es macht auf mich eher den Eindruck, dass lauter „Manager“ am Ruder stehen, die im Grunde genommen nur insofern Verantwortung für ihr Tun übernehmen müssen, als dass sie im Zweifel ein gut bezahltes Flugticket in den nächsten Chefsessel bekommen. Ich möchte an dieser Stelle jedoch nicht falsch verstanden werden: Ich kenne Manager, die sich mit genauso viel Herzblut für ihr Unternehmen mitsamt dessen Produkten engagieren, wie es ein Eigentümer tun würde. Damit will ich sagen, dass „Manager“ bitte nicht per se als eine Art Schimpfwort verstanden werden darf.

Aber Personal entlassen und einen Justiziar anweisen, dafür möglichst viele Winkelzüge zu finden und Verträge auszuarbeiten, die meine Bilanz wenigstens noch ein paar Jahre retten, das kann vermutlich auch ein BWLer mit zwei Jahren Berufserfahrung.

Kunde vs. Buzzword-Bingo

Um auch hier nicht falsch verstanden zu werden: Ich habe auch keine Patentlösung. Aber wenigstens habe ich Überzeugungen, Leidenschaft und einen selbst unterstellten unternehmerischen Verstand, der immer wieder dazu führt, dass sich bei solchen Nachrichten wie aus Berlin meine Stirn der Tischplatte nähert. Schon allein, weil es eine Unverschämtheit ist, wie hier mit Menschen umgesprungen wird, die danach für einen vernünftigen Umsatz sorgen sollen. Wie lächerlich ist das denn bitte?

Und all die „Bemühungen“ der Verlage, wenn sie sich alljährlich in Wien oder auf anderen Zeitungsplattformen treffen. Hach. In den allermeisten Diskussionen fällt erstaunlich häufig das Wort „Leser“, inzwischen sogar das Wort „Kunde“, ohne das auch nur ansatzweise wirklich über diesen wesentlichen Eckpfeiler unternehmerischen Erfolgs gesprochen wird. Nein. Stattdessen tunkt man beide Worte in die viel süßere Schokoladensauce der immer neuen Kanäle, auf denen man den immer gleichen Content ausspielen kann. Nur eben jeweils anders konfektioniert. Gott im Himmel, ist das grausam. Sich mit dem Kunden allein zu beschäftigen, ist freilich bitterer, als gezielt gestelzt und mitwisserisch, unter Verwendung möglichst vieler Anglizismen über Snapchat und Co zu unterhalten. Und dabei zu vergessen, dass Snapchat inzwischen vermutlich schon wieder out ist bzw. dessen Nutzer von Verlagen nichts wissen wollen. Mist, das ging ja fix. Verdammtes #neuland.

Das Produkt ist nicht der Kanal

Hach, ich weiß. Eigentlich sollte ich sachlich bleiben. Aber es fällt mir gerade schwer. Versuchen wir’s trotzdem: Natürlich ist der Vertriebsweg auch wichtig. Aber was hilft es mir, wenn ich verfaulte Tomaten herstelle und versuche diese im schicken neuen Edel-Aldi loszuwerden, weil sich dort viele Menschen tummeln, die möglicherweise Lust auf Tomaten haben? Ein Unternehmer, so meine ich, versucht sich ernsthaft mit seinen Kunden und ihren Bedürfnissen auseinander zu setzen und einen Weg zu finden, Tomaten zu produzieren, die der Kunde gerne kauft.

Der Kanal ist nicht das originäre Verlagsprodukt. Das Verlagsprodukt ist das, was Verlage seit Anbeginn ihres Daseins immer schon hergestellt haben: Guter Content. Dabei ist eine weitere Betrachtung bedeutsam. Die Definition von „guter Content“ wird nicht allein vom Hersteller geschrieben. Sondern zu allererst vom Kunden. Das erfordert im Falle von Verlagen ein ordentliches Umdenken. In den Redaktionen, aber auch auf der Managementebene.

Eine Bitte zum Schluss

Hört endlich auf, nur in Kosten zu denken. Denkt endlich auch in Kunden. Statt sich scheinheilig selbst zu beweihräuchern und am Ende möglichst viel Schmuh zu betreiben, damit die IVW-Zahlen hübsch aussehen, wäre das tatsächlich umsatzrelevant. Ebenso wie zurückzufinden zu dem Glauben an etwas sehr Großartiges, dass sich unsere türkischen Nachbarn gerade nach und nach nehmen lassen: Die Kraft, Wirkung und Bedeutung von ernst zu nehmendem Journalismus. Nicht nur überregional, sondern vor allem im regionalen Zusammenhang. Denn da steckt richtig viel Potential, das gerade schaufelweise über Bord geworfen wird.

Das gilt auch für den Werbemarkt, in dem ein echter Mehrwert aktuell einfach nicht zu erkennen ist. Reichweite hin oder her: Erreicht das Medium zwar viele, aber die Falschen, werbe ich dort nicht. So einfach ist das. Und man muss sich auch von der Arroganz trennen zu meinen, dass Werbende an der Zeitung nicht mehr vorbeikämen. Glaubt mir, es gibt Menschen, die das behaupten. Dazu sei ein Blick in die aktuelle Kampange „Jedes Wort wert“ der Agentur Serviceplan empfohlen. Die gehört zweifelsohne zu den sinnlosesten Kampagnenversuchen, die ich kenne.

Es stellt sich die Frage, wie viele der Manager, die bundesweit Redaktionen ausdünnen und einen Kick darin sehen, statt einen Euro mehr zu verdienen, lieber einen Euro weniger auszugeben, das letzte Mal mit einem richtigen Kunden gesprochen und ihn ernst genommen haben. Geschweige denn Wege etablieren, die sich systematisch mit Kundenbedürfnissen beschäftigen. Ich fürchte, es sind die aller wenigsten.

Martin Wilbers

2 comments

  1. Martin Jungfer 2 November, 2016 at 10:14 Antworten

    Ein gut geschriebener „Rant“ zur Verlagsbranche in Deutschland. Leider sind diejenigen Manager selten geworden, die in die Zukunft von Journalismus investieren können und wollen. Besonders hat mir die Metapher der „faulen Tomaten“ gefallen. Guter Inhalt – für die Kunden gemacht – ist das, was den meisten Marken heute fehlt. Leider.

    • Martin Wilbers
      Martin Wilbers 2 November, 2016 at 10:17 Antworten

      Danke, Martin! Jetzt hast du aber fix gelesen 🙂 Ich bin mir sicher, dass mich viele , wenigstens innerlich, für diesen „Rant“ in der Luft zerreißen wollen. Aber die Meldungen in der Fachpresse dazu sind so eintönig geworden. Die Zeitungsbranche malt sich schwarz-weiß, wird farblos und gibt sich damit den Anstrich jener Anzeigenformate, wegen derer viele ältere Menschen, die ich kenne, das Medium trotzdem noch abonnieren: Todesanzeigen. Und das im sprichwörtlich übertragenden Sinne. Es ist so traurig.

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