Memmelsdorf: Krieg der Tankstellen

Meine Nachbargemeinde Memmelsdorf wird am 10. April wählen. Aber nicht etwa einen neuen Bürgermeister oder Gemeinderat, sondern für oder gegen eine neue Tankstelle an der Umgehungsstraße ST2190. Eine Straße wohlgemerkt, die um den Ort herum führt. Umgehungsstraße eben. Bauen wollte die neue Tankstelle die Memmelsdorfer Unternehmerfamilie Massak. Aber da gibt es ein Problem. Wettbewerb.

Viel getan für Memmelsdorf

Die Massaks haben als Unternehmer eine eindrucksvolle und erfolgreiche Geschichte, deren großer Profiteur die Gemeinde Memmelsdorf und damit deren Bürgerinnen und Bürger sind. Vater Massak war einst Angestellter, bevor er sich als Supermarkteinzelhändler selbstständig machte. Recht zügig entdeckte er, dass die Lebensmittelbelieferung von Gefängnissen ein lukratives Geschäft darstellt. Eine Unternehmung, die so erfolgreich ist, dass sich im vergangenen Jahr selbst Deutschlands größtes Boulevardblatt dafür interessierte.

2012 genehmigte die Gemeinde Memmelsdorf den Ausbau des Massak'schen Einkaufszentrums in Memmelsdorf zum Logistikzentrum. Inzwischen arbeiten bei der Firma rund 550 Mitarbeiter. Ein guter Teil davon kommt freilich aus Memmelsdorf.

Massak wurde über die Jahre nicht nur zum größten Arbeitgeber, sondern auch zum größten Gewerbesteuerzahler der Gemeinde. Mithin also eine Entwicklung, die sich andere Kommunen wünschen würden, um die klammen Kassen zu füllen. Nicht zuletzt sind es außerdem gerade solche Unternehmer, die eine nicht geringe Bedeutung für das Vereinsleben einer Gemeinde haben können, weil sie schlichtweg interessante Sponsoren darstellen.

Aber dann kam die Idee mit der Tankstelle.

Zoff um neue Zapfsäulen

An der Memmelsdorfer Umgehungsstraße in der Nähe des Bahnhofes, sollte schon vor einer ganzen Weile eine Tankstelle errichtet werden. Vor einigen Jahren sprach sich der Gemeinderat aber dagegen aus. Die Gründe dafür waren für mich leider nicht mehr nachzuvollziehen. Vor nicht ganz zwei Jahren gab es dann einen neuerlichen Versuch. Die Firma Massak wollte investieren. Weitere Arbeitsplätze und letztlich natürlich auch zusätzliche Gewerbesteuereinkünfte für die Gemeinde. Der Gemeinderat gab dafür mehrheitlich genauso grünes Licht, wie die zuständigen Ämter des Landratsamtes Bamberg, die die Machbarkeit mit Blick auf Umwelt und Verkehr geprüft hatten.

Interessanterweise könnte Memmelsdorf damit möglicherweise Geburtsort für ein ganz neues und kundenfreundliches Tankstellen-Shopsystem werden. Denn ein solches, so hört man, will Werner Massak in der neuen Tankstelle ausprobieren und bei Erfolg an anderen Standorten weiter ausrollen. Innovation made in Memmelsdorf quasi.

Alles sah also ganz gut aus. Aber es gab eben doch den einen oder anderen, dem diese Entwicklung nicht in den Kram passte. Allen voran – und da beginnt ein sagenhaftes "Geschmäckle", dem Wettbewerber. Denn in Memmelsdorf gibt es seit vielen Jahren im Ortskern eine Total-Tankstelle. Und der Besitzer eben dieser gehört zu den Initiatoren des aktuellen Bürgerbegehrens gegen seinen potentiellen Konkurrenten.

Protestplakat der Gegner

Spannende Gründe der Gegner

Und dafür, so die Gegner um Herrn Schrüfer von der Total-Tankstelle, gäbe es Gründe. Nicht aber die Tatsache, dass der schon ansässige Tankenbetreiber Angst vor Wettbewerb habe. Nein, viel mehr ginge es darum, dass etwa mehr Lärm durch zunehmenden Verkehr im Ort zu erwarten wäre, die Umwelt geschädigt würde und vor allem aber in einem Wohngebiet gebaut würde, statt in einem Gewerbegebiet. Wäre es ein Gewerbegebiet, in dem die neue Tankstelle entstehen würde, dann hätte der Total-Betreiber damit kein Problem. Außerdem, so die Gegner, würde eine Tankstelle in Memmelsdorf genügen. So jedenfalls konnte man es der Presse entnehmen.

Da steckt mehr dahinter

Unterhält man sich diesbezüglich im Umfeld der Gemeinde, dann erfährt man dazu allerlei kuriose Hintergrundinformationen. Bringfried Schrüfer, der Total-Eigentümer, hat über die Jahre als Quasi-Monopolist natürlich gutes Geld mit der einzigen Tankstelle im Ort verdient. Dagegen gibt es m. E. nichts zu sagen. Sein Ziel wird es gewesen sein, einen Betrieb aufzubauen, den er seinen Kindern einst überlassen kann und dafür hatte er bisher natürlich eine glänzende Ausgangslage in Memmelsdorf.

Natürlich hat er, als kluger Unternehmer, nicht allen Verdienst verprasst, sondern in seine Firma investiert. Unlängst etwa flossen rund 100.000 Euro in die Renovierung der Tankstelle in Memmelsdorf. Interessanterweise aber ist das nicht die größte Investition, die er bisher in Memmelsdorf tätigte, obwohl er das fragliche Gelände längst hätte kaufen können. Allerdings hat er bereits zwei Standorte. Einen guten Teil des verdienten Geldes hat er nämlich aus der Gemeinde Memmelsdorf in die Gemeinde Scheßlitz getragen und dort eine weitere Tankstelle eröffnet. Selbstverständlich an einer strategisch günstigen Stelle an der dortigen Umgehungsstraße. Scheßlitz hat mit rund 7.200 Einwohner etwa 2.000 Einwohner weniger als Memmelsdorf. Und mit der Tankstelle von Herrn Schrüfer gibt es dort inzwischen gleich drei Tanken für die Bürgerinnen und Bürger. In Memmelsdorf hingegen sind scheinbar schon zwei zu viel Auswahl.

Grundstück für die neue Backstube

Tankstellenbauplatz

Ein Wohngebiet? Nicht ganz.

Dann die Kiste mit dem Wohngebiet. Naja, das ist ja so eigentlich gar nicht richtig. Flux bei der Gemeinde nachgefragt, zeigt sich, dass das fragliche Grundstück in einem Mischgebiet liegt, welches schon immer ein solches gewesen sei. Dort gab es bis vor einer ganzen Weile ein großes Sägewerk, das reichlich Emissionen und Lärm verursacht habe. Und gleich neben der geplanten Tankstelle (Grundstück links von der Ortseinfahrt), will die Firma Ohland eine ordentlich große Backstube hinstellen. Mit allem Lieferverkehr und Co., der dazu gehört. Aufgeregt hat sich darüber in Memmelsdorf bisher aber niemand.

Früher war dort auch der Bahnhof mit entsprechendem Schienenverkehr. Heute finden sich dort die Feuerwehr, der Gemeindebauhhof und verschiedene kleine Gewerbebetriebe, sowie Wohnhäuser. Eine Ruhe-Wohnoase mit Luftkurort-Ambiete scheint mir die Bahnhofsgegend nie gewesen zu sein.

Mehr Lärm, mehr Verkehr, weniger Umwelt?

Aber was ist mit dem Verkehrsargument, trotz der Tatsache, dass das zuständige Amt offenbar kein Problem darin sieht? Ich war vor Ort, um mir selbst ein Bild davon zu machen.

Sofern keine direkte Zufahrt von der Schnellstraße auf das Tankstellengelände möglich ist, müssten die Spritdurstigen tatsächlich in die Ortseinfahrt abbiegen (siehe Titelbild). Allerdings bräuchte es von dort nur ca. fünf Meter bis zum Zapfhahn (das Grundstück rechts von der Ortseinfahrt) und diese fünf Meter liegen deutlich vor dem Beginn der Wohnhäuser, die dort am Ortseingang stehen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie es wegen der Tankstelle nun insgesamt zu mehr Verkehr im Ort kommen soll. Und auch das zugehörige Lärmargument ist für mich nur schwer nachvollziehbar. Klar, das Leben an einer Umgehungsstraße ist kein genussvoller Konzertbesuch und damit belastend. Aber warum sollte eine Tankstelle mehr Lärm verursachen, als eine viel befahrene Umgehungsstraße?

Schlüssiger wäre es für mich, dass durch den Ab- und Anlieferverkehr des neuen Ohland-Backhauses, der sicherlich auch in den frühen Morgenstunden stattfinden muss, mehr Lärm entsteht als zuvor. Wie gesagt: Das scheint in Memmelsdorf niemanden zu stören.

Und die Umwelt? Die beiden ausgewiesene Flächen sind brach liegendes Weideland, dass nicht mehr landwirtschaftlich genutzt wird. Dort muss, so zumindest habe ich es wahrgenommen, kaum ein Baum gefällt werden. Ob es dort seltene Gräser oder Tierarten gibt, kann ich allerdings nicht sagen. Und auch nicht, ob diese nur auf einem der beiden fraglichen Äcker zu finden wären. Denn die Firma Ohland darf ja bauen. Aber: Jedes Neubaugebiet in den Gemeinden, auf dem Wohnfläche entsteht, zerstört m. E. mehr Natur als eine Tanke und eine Backstube auf diesen beiden (kleinen) Brachflächen.

Doch das Bürgerbegehren kommt

Das Bürgerbegehren jedenfalls kommt. Mit Vollgas. Rund 1.800 Unterschriften wurden dafür gesammelt. Aus Memmelsdorf hört man, dass die Tankstellengegner sich dafür ordentlich ins Zeug gelegt haben. Mit entsprechendem Tür- und Telefongeklingel in allen Ortsteilen. Im Gemeinderat wurde eine hitzige Debatte geführt, die seitens der Gäste teilweise wohl ziemlich unflätig ausfiel. Angeheizt durch die emotional aufgeladenen Argumente der Gegner der Tanke, die für mich in weiten Teilen rational nicht nachvollziehbar sind.

Frau Massak hat dem FT gesagt, sie sei der Meinung, Grund für den Ärger sei vor allem der Neid auf den Erfolg ihres Familienunternehmens. Und das scheint mir, neben der Verteidigung einer Monopolstellung, noch die einleuchtenste Erklärung für all den Trubel.

Das Ergebnis könnte böse Folgen haben

Entscheiden sich die Memmelsdorfer gegen die Tankstelle, dann verteidigen sie vor allem ein Monopol. Wohlgemerkt mit dem demokratischen Instrument eines Bürgerbegehrens. Und ein schmales Angebot hat für den Verbraucher in den allermeisten Fälle vor allem preislich eine Menge Nachteile. Deshalb ist Wettbewerb ja auch so gesund.

Mehr noch: Meine Nachbargemeinde entscheidet sich dann gegen die weitere Entwicklung ihres größten Gewerbesteuerzahlers und wirft einem findigen Unternehmer ordentliche Klöppel zwischen die Füße. Das dürfte andere niederlassungswillige Unternehmen durchaus davon abhalten in Memmelsdorf zu investieren. Denn ein unternehmensfreundliches Image fördert so ein Gebaren nicht.

So könnten sich aber durchaus andere Kommunen in der Region freuen. Denn was wäre, wenn die Firma Massak mit Sack und Pack einfach umzöge? Das mag nicht einfach sein, aber durchaus möglich. Damit würde Memmelsdorf seinen größten Gewerbesteuerzahler und Arbeitgeber los.

Bekanntlich werden kommunale Projekte wie Bürgersteige, Radwege, Kindertagesstätten, Schulen und so weiter aus dem Gemeindesäckel finanziert. Dumm nur, wenn der in Memmelsdorf auf einen Schlag ordentlich dünn ausfiele. Gäbe es eine neue Heimat für das Unternehmen, dürften sich die dortigen Bürger freuen. Über neue Bürgersteige zum Beispiel.

Bilder: Martin Wilbers
Martin Wilbers

2 comments

  1. Gottschall's 7 April, 2016 at 17:42 Antworten

    MEMMELSDORF: KRIEG DER TANKSTELLEN

    Hallo Herr Wilbers,

    ihr Beitrag ist sehr gut recherchiert.
    Wir dachten auch am Anfang, dass der armen kleinen Tankstelle die Lebensgrundlage entzogen werden würde wenn eine neue Tankstelle gebaut wird. Als wir festgestellt haben, dass die große Tankstelle in Scheßlitz auch dem Herrn Schrüfer gehört, haben wir nicht schlecht gestaunt.
    Herr Schrüfer könnte auch eine große Total Tankstelle mit allem Zipp und Zapp an der geplanten Stelle bauen.
    Ihr Bericht spiegelt genau unsere Meinung wieder.

    Bleifreie Grüße
    Die Gottschall’s
    Michael und Karola

    • Martin Wilbers 8 April, 2016 at 06:53 Antworten

      Liebe Familie Gottschall,

      lieben Dank für das Lob! Es ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, dass mehr Wettbewerb auch zu Umsatzeinbußen führen kann. Das ist letztlich Teil der Marktwirtschaft, Grund genug, das eigene Angebot zu überprüfen und am Ende vor allem aber gut für den Verbraucher.

      Ich glaube aber auch nicht, dass man sich Sorgen um die Familie Schrüfer machen muss, denn ihr Unternehmens scheint mir gut aufgestellt zu sein. Auch, wenn das nur eine Vermutung ist 🙂

      Ich bin bereits gespannt auf den Ausgang des Bürgerbegehrens.

      Viele Grüße
      Martin Wilbers

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