Wertschätzung

Ich glaube, jeder kennt ihn: den Wunsch nach sozialer Anerkennung. Und jeder noch so hartgesottene Mensch weiß um deren belebende Wirkung. Verschiedene Studien zeigen allerdings, dass es damit in unserer Arbeitswelt nicht weit her ist. Dabei geht es in Sachen Wertschätzung nicht allein um kontinuierliche Lobhudelei oder das berühmte Lächeln mit Schulterklopfen. Nein, da steckt einiges mehr dahinter. Und vielleicht macht es das für nicht wenige schwer, wertschätzend zu handeln. 

Mehr Menschlichkeit in der Führung

Wertschätzung ist etwas Tolles. Man könnte behaupten, wir Menschen gieren danach. Wegen dem Dopamin und so. Auch, wenn viele Menschen das vielleicht nach außen hin nicht zeigen: Wir möchten für das, was wir darstellen anerkannt werden. Im Sommer 2013 hatte ich im Rahmen einer Führungskräftekonferenz die Möglichkeit, einen wunderbaren Menschen kennen zu lernen: Herrn Prof. Dr. Baldur Kirchner. Er sprach damals zum Thema Führung auf der Konferenz. Drei Stunden lang. Und keine Minute davon war langweilig. Im Kern seines Vortrages mahnte er an, dass wieder mehr Menschlichkeit in die Führungsarbeit einfließen müsse. Und zum Thema Lob gab er den geneigten Zuhörern mit, dass ein Mensch um seiner selbst willen respektiert und anerkannt werden möchte und nicht nur wegen seiner Leistung. Führungskräfte sollten sich selbst in die Lage versetzen, die Person hinter der Arbeitskraft zu sehen und genau dieser Person gegenüber wertschätzend und anerkennend zu sein. Ich empfand den Vortrag und seine Kernaussagen als so unglaublich wichtig und richtig, dass ich mich immer wieder gerne daran erinnere.

Soziale Anerkennung ist ein Grundbedürfnis wie das nach Essen und Trinken, ohne sie kann kein Mensch existieren. - Katrin Zeug

Soziale Anerkennung ist ein Grundbedürfnis

Aber warum ist Wertschätzung eigentlich so relevant? Katrin Zeug hat dazu schon vor einer ganzen Weile ein paar spannende Einsichten in der ZEIT aufgeschrieben. Sie ist der Auffassung, dass soziale Anerkennung ein Grundbedürfnis wie Essen und Trinken ist, ohne das ein Mensch nicht existieren kann. Damit ist sie nicht allein. So gäbe es Forscher, schreibt sie weiterhin, die diesen Drang evolutionsbiologisch erklären würden. Im Nahrungswettbewerb sei der Mensch als Jäger und Sammler in der Gruppe deutlich erfolgreicher als allein gewesen. Das setzte das Funktionieren und die Akzeptanz in der Gruppe voraus.

Jochen Mai spricht auf karrierebibel.de von einer Studie der Plattform „Kraftwerk Anerkennung“, die im vergangenen Jahr zeigte, dass rund 9 von 10 Arbeitnehmern sich mehr Anerkennung wünschen. In einer anderen Studie der Hewitt Associates gaben 65 Prozent der Manager an, dass sie sich nach mehr Lob im Job sehnen würden. Wertschätzung scheint also eine eklatante Mangelerscheinung in vielen Organisationen zu sein. Für Manager ebenso wie für Mitarbeiter ohne Führungsaufgaben.

Fehlende Wertschätzung verursacht hohe Kosten

Vielleicht machen sich die Unternehmen zu wenig bewusst, welche konkreten Kosten eigentlich mit einem diesbezüglichen Führungsversagen verbunden sind. An der Universität Düsseldorf wurde zu dem Thema schon vor einigen Jahren ein Forschungsprojekt durchgeführt, welches in der Psychologie Heute vorgestellt wurde. Demnach wirkt sich ein Wertschätzungsmangel negativ auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und psychische Leiden aus. Dass die Zahl der Depressionserkrankungen (Burn Out) zunimmt, ist kein Geheimnis. Und auch keine Modeerscheinung.

Was heißt das? Höhere Krankenstände, längere Krankheitszeiten, Kosten für personellen Ersatz, eine Mehrbelastung anderer Mitarbeiter, die im Zweifel aufgrund des steigenden Stresslevels in dasselbe Hamsterrad geraten. Und auf der anderen Seite wirkt sich mangelnde Wertschätzung selbstverständlich auf das Motivationssystem der Mitarbeiter aus. Die „Flamme“ der intrinsischen Motivation wird nach und nach kleiner. Damit sinkt die Effektivität und Leistungsbereitschaft. Und damit wiederum eventuell die Qualität der Arbeit. Da können die Maliks dieser Welt noch so oft aufschreiben, dass das alles Humbug ist. Ist es nicht.

Das alles ist sehr teuer. Letztlich ist ein Wertschätzungsmangel nach einer gewissen Weile Grund genug für einen Mitarbeiter, ein Unternehmen zu verlassen. Der berühmte Spruch: Man verlässt kein Unternehmen, sondern seinen Vorgesetzen. Neben dem schleichenden Prozess einer sich negativ aufladenden Arbeitgeberattraktivität, kommt die Suche nach neuem Personal als Kostenpunkt auf der Rechnung hinzu. So etwas lässt sich, meine ich, konkret quantifizieren. Und wer da mal einen Strich drunter zieht, der sollte klar sehen, dass es sich in vielerlei Hinsicht lohnt, in „wertschätzende Führung“ zu investieren.

Wertschätzung hat mit Haltung zu tun – auch gegenüber sich selbst.

Im oben genannten Artikel von Jochen Mai gibt es ein paar sehr gute Hinweise zum Umgang mit Lob und Anerkennung. Ich kann die Lektüre empfehlen. Und darüber hinaus empfehle ich auch, es nicht bei dieser Lektüre zu belassen, sondern sich als Führungskraft wirklich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen.

Einen letzten Punkt würde ich aber gerne noch aufgreifen. Wertschätzung hat etwas mit Haltung gegenüber einer anderen Person zu tun. Ein aufgesetztes Lächeln, ein holprig platziertes Lob, kurz: unauthentisches Verhalten führt sicher nicht zum Ziel. Aber wenn die persönliche Haltung gegenüber einem Mitarbeiter dessen Wertschätzung verhindert, gibt es möglicherweise einen kritischen Konflikt, über den man sprechen muss. Denn niemandem ist damit geholfen, das tot zu schweigen.

Grundsätzlich glaube ich auch, dass Wertschätzung äußern zu können mit dem persönlichen Selbstwertgefühl zusammen hängt. Wer ein solches besitzt, der dürfte eigentlich kein Problem damit haben, die Person bzw. die Leistung eines anderen anzuerkennen. Führungskräfte, die dazu nicht in der Lage sind, insgeheim viel mehr auf sich als auf andere schauen, sich vielleicht sogar mit den fremden Lorbeeren ihrer Mitarbeiter meinen schmücken zu müssen und entsprechend eben nicht an der Förderung der eigenen Teammitglieder arbeiten, sind für ein Unternehmen schädlich. Coaching und Führungskräftetrainings halte ich für ein probates Mittel, um dem entgegen zu wirken.

Und wer bis hier hin durchgehalten hat, dem sage ich: Vielen Dank. Ich weiß Eure Aufmerksamkeit wirklich sehr zu schätzen und freue mich wie immer auf Feedback.

Martin Wilbers

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