Die eigene Nase

Uwe Jaenchen hat einen Leserbrief geschrieben. In seinem Text mit dem Titel "An die eigene Nase fassen" bringt er einen bisher nur wenig diskutieren Aspekt in die Diskussion um den Bamberger Einzelhandel mit ein: Das Kundenbedürfnis.

Schlagabtausch

So ganz diplomatisch will der Brief von Herrn Jaenchen nicht klingen und ich will auch nicht sagen, dass ich ihn in seiner rabiaten Verabsolutierung voll und ganz teile. Ausnahmen bestätigen wie üblich die Regel. Aber den Grundgedanken, den der Autor mit seinem Brief ausdrückt, den finde ich so verkehrt nicht. Bisher drehte sich die Diskussion um die Schwierigkeiten im Bamberger Einzelhandel vor allem um ein entweder wenig vorteilhaftes Stadtbild oder aber um wenig vorteilhaft positionierte Marktbeschicker. Nicht zu vergessen natürlich den Online-Wettbewerb. Und die Diskussion wurde zudem meist zwischen zwei großen Parteien geführt: Der Stadt bzw. der Stadtverwaltung und den Bamberger Einzelhändlern. Natürlich gab es immer mal wieder Zaungäste außerhalb dieser beiden Gruppierungen. Aber es gelang bisher doch in beschaulicher Regelmäßigkeit, dass der Ball der Einzelhandelsmisere zwischen den beiden Strafräumen der Unternehmer und der Stadt hin und her bugsiert wurde.

Die Kunden

Und jetzt kommt der Herr Jaenchen und balanciert - mehr oder weniger galant - eine dritte Gruppierung in das Thema: Die Kunden. Und letztlich, da würden sicher auch die Einzelhändler zustimmen, sind es genau die, die von ganz besonderer Bedeutung sind. Erstaunlich eigentlich, dass sie bisher nicht gefragt wurden. Jedenfalls nicht so öffentlich, dass man es mitbekommen hätte.

Herr Jaenchen kritisiert, dass sich die Einzelhändler insofern aus der Affäre ziehen, als dass sie den Grund für die schlechter werdende Situation im Einzelhandel zunächst einmal nicht bei sich selbst suchen. Ich würde nun auf keinen Fall soweit gehen wollen und unseren Bamberger Handelsunternehmern unterstellen, sie seien nur auf "den schnellen Euro" aus. Ganz ehrlich: Das glaube ich nicht. Natürlich möchten sie Umsatz machen und sie wären schlechte Unternehmer, wenn das anders wäre.

Aber vielleicht sind die derzeitigen Inhalte der öffentlichen Diskussion für manch einen die einzige Erklärung der Handelssituation in der Innenstadt. Möglicherweise, weil man andere Gründe eher ungern hören möchte.

Umdenken?

Der Leserbrief-Autor, so klingt es durch, ist der Auffassung, dass die Einzelhändler die Kundenbedürfnisse nicht mehr gut genug befriedigen. Dabei spricht er von einer wenig liebevoll gestalteten Einkaufsatmosphäre der Läden. Wenn man sich noch ein wenig weiter aus dem Fenster lehnen möchte, dann könnte man die Frage danach stellen, ob die Innenstadt den richtigen Mix an Einkaufsmöglichkeiten aufweist. Und man könnte ebenfalls fragen, ob das aktuelle Angebot und dessen Präsentation kundenorientiert genug ist. Und ob die Servicequalität überall stimmt oder nicht. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es nicht allein die Stadt sein kann, die die Verantwortung trägt, denn es gibt ja auch so etwas wie eine "unternehmerische Verantwortung".

In der klassischen Lehre von Angebot und Nachfrage hat man dann verloren, wenn das eigene Angebot die Nachfrage am Markt nicht mehr oder nur noch ungenügend deckt. Klar, ist eine banale Lehrformel. Aber sie gilt. Das Angebot ist dabei letztlich eben nicht nur die Ware. Aber auch nicht nur die Stadt. Oder nur Service, Präsentation und Ladeneinrichtung. Das Angebot ist von all dem etwas. Und das macht erst das kundenbindende und kaufmotivierende Einkaufserlebnis aus.

"An die eigene Nase fassen"

Bamberg ist eine liebenswerte und wunderschöne Stadt. Man kann ihr (oder dem Internet) nicht einfach pauschal die Schuld dafür geben, wenn es geschäftlich nicht immer so läuft. Ich habe bisher immer einen Parkplatz gefunden und im Übrigen auch einen passenden Mülleimer, wenn ich etwas wegwerfen musste. Und wenn sich geschäftlicher Erfolg an der Anzahl zur Verfügung stehender Mistkübel bemessen ließe, wäre ich wirklich überrascht.

Ich gehe gerne in einem Ladengeschäft einkaufen. Aber ich nutze auch gerne das Internet. Für mich schließt sich das nicht aus. Ich fände es sehr traurig und geradezu falsch, gäbe es in Bamberg keinen florierenden Einzelhandel mehr. Und wir haben glücklicherweise viele engagierte Einzelhändler.

Aber jedes Einzelhandelsgeschäft ist ein Unternehmen. Und ich glaube aus fester Überzeugung, dass Unternehmer zunächst selbst etwas unternehmen müssen, wenn es nicht mehr gar so rund läuft. Und sie tun aus meiner Sicht gut daran, den Kunden und das eigene Handeln dabei ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen. Und nicht allein Ämter und die Straßenkehrer.

Insofern kann ich Herrn Jaenchen schon verstehen.

Bildquelle: Nemracc (Wikipedia, bearbeitet), Creative Commons
Martin Wilbers

2 comments

  1. Andreas Jakob 9 Juni, 2015 at 09:36 Antworten

    Ich gehe gerne einkaufen oder neudeutsch „shoppen“. Einen Parkplatz findet man in Bamberg (und der kostet auch in anderen Städten Geld). Zu einem schönen Einkaufsbummel gehören aber eben auch schöne, einladende Geschäfte, ein Warenmix (für mich z.B. schöne Dekorationen für Haus und Garten), nette Verkäufer (-innen), fachkundiges Personal, guten Service, schöne Straßencafés … All diese Dinge habe ich beim „Internetshopping“ nicht – Liebe Einzelhändler besinnt Euch auf Eure Stärken! Ganz erstaunt war ich übrigens vom Einzelhandel in Regensburg – diesen empfand ich viel abwechslungsreicher als den Bamberger …

  2. Martin Wilbers 9 Juni, 2015 at 17:49 Antworten

    Sehr empfehlen kann ich auch einen Blick in die Stadt Oldenburg in Niedersachsen. Wirklich toll gemacht und letztlich muss man das Rad ja nicht neu erfinden, sondern man darf sich ja auch von guten Beispielen inspirieren lassen.

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